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Entstehung des World Wide Web |
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Tim Berners-Lee und die Anfänge |
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Der gebürtige Brite Tim Berners-Lee, in den 80er und bis in die 90er Jahren Informatiker am Genfer Forschungszentrum fuer Teilchenphysik CERN, beschreibt in seinem Buch "Weaving the Web", wie er dort am CERN in den 80er Jahren ein selbstgeschriebenes Programm als Produktivitäts-Tool nutzte. Das Programm, von Berners-Lee in Pascal geschrieben, lief auf einem Computersystem mit dem Betriebssystem "Norsk Data SYNTRAN III". Die 8-Zoll-Diskette, auf der die Sourcen gespeichert waren, ging irgendwann verloren.
Mit heutiger Software hatte das Tool sicher nicht viel zu tun. Grafische Oberflächen gab es nicht, kommandozeilenorientierte Systeme dominierten, und grüne Schrift auf schwarzem Grund beherrschte die Bildschirme. Auf einem solchen System also hatte Tim Berners-Lee sein Pascal-Programm zum Laufen gebracht. Er nannte das Programm Enquire, was auf Deutsch so viel bedeutet wie "sich erkundigen".
"Enquire" war ein Hypertext-Programm. Man konnte Textdateien editieren, die - vermutlich durch irgendwelche Steuerzeichenfolgen markiert - in "nodes" (Knoten) unterteilt waren. Ein Knoten konnte alles sein, was so an Daten anfiel - Adressen, Gesprächsnotizen, spontante Ideen, Erlebnisse, Arbeitsergebnisse. Zu jedem Knoten gab es eine zugehörige Liste mit Links zu anderen Knoten. Man konnte auf jegliche Art von Querbeziehung linken, die man kannte oder fand. Links auf Ziele innerhalb einer Datei wurden vom Enquire-Programm automatisch bidirektional dargestellt - das heißt, auch wenn der Link nur von A nach B gesetzt war, fand man bei B in der Liste den Rückverweis auf A.
Ende 1988 entschloss sich Berners-Lee, aus der Weiterentwicklung von "Enquire" ein Computer-übergreifendes System zu entwickeln. Für CERN sollte er zu diesem Zweck einen entsprechenden Projektvorschlag einreichen und darin sein Vorhaben detailliert beschreiben. Das war die Zeit, als Berners-Lee mit verschiedenen Fachleuten Kontakt aufnahm, um technische Wege der Realisierung seiner Ideen zu finden. Ben Segal, ein Kollege von Berners-Lee, der sich mit den Grundlagen des Internet auskannte, überzeugte den Hypertext-Entwickler von den einzigartigen Möglichkeiten des Netzes der Netze. 1989 reichte er seinen Vorschlag bei CERN ein. Es vergingen jedoch viele Monate, und Berners-Lee erhielt keine Reaktion auf den Vorschlag. Robert Cailliau, ein alter Bekannter, ließ sich von den Ideen des Briten begeistern und setzte sich fortan für die Forcierung des Projekts am CERN ein. In dieser Zeit - es war das Jahr 1990 - erhielt das Projekt auch seinen endgültigen Namen: World Wide Web. Im Herbst des Jahres 1990 schrieb Berners-Lee eigenhändig die ersten Versionen der drei Säulen seines Konzepts:
Berners-Lee schrieb auch die erste Web-Server-Software. Der Rechner, auf dem diese Software installiert wurde, war unter dem Namen info.cern.ch erreichbar. Dort stellte Berners-Lee an Weihnachten 1990 die ersten, in HTML geschriebenen Web-Seiten der Welt zur Verfügung. Seine Ideen wichen dabei ursprünglich durchaus von dem ab, was schließlich aus dem Web wurde. So setzte sich Berners-Lee immer dafür ein, Web-Seiten online editierbar zu machen, sodass Web-Seiten-Besucher Texte fortschreiben konnten, sofern der Anbieter entsprechende öffentliche Schreibrechte für die Dateien vergab. Doch die Web-Browser, die sich schließlich durchsetzten, waren reine Lese-Software.
Das Web entwickelte sich zunächst nicht unbedingt von allein. Berners-Lee und seine Projektmitstreiter waren unermüdlich bei der Arbeit, das Web bekannt zu machen und zu etablieren. Auf einer internationalen Hypertext-Konferenz im Jahre 1991 stellten sie das Projekt vor. Kontakte zu Programmierern für verschiedene Systeme entstanden, und nur so entstanden die ersten Web-Browser. Denn erst die Verfügbarkeit solcher Browser ermöglichte es anderen Menschen mit Internet-Zugang, Web-Seiten aufzurufen. Nicola Pellow, eine junge Mitarbeiterin und Mathematikerin am CERN, schrieb den ersten einigermaßen benutzbaren textmodus-orientierten Browser. 1992 entstanden auch die ersten Browser für grafische Benutzeroberflächen, mit den Namen Erwise und Viola. Gleichzeitig stieg die Zahl von Web-Servern, über die Web-Seiten angeboten wurden. Zunächst waren es vor allem wissenschaftliche Institutionen.
Für programmierende Studenten wurde es zunehmend zu einer interessanten Herausforderung, Browser fürs Web zu schreiben. Besonders hervor tat sich dabei ein junger Mann namens Marc Andreessen. Er entwickelte einen Web-Browser für grafische Benutzeroberflächen namens Mosaic. Tim Berners-Lee, der Marc Andreessen auch selber kennenlernte, beschreibt ihn als jemanden, der nicht mehr wie alle Browser-Entwickler vor ihm eine Software fürs Web entwickeln wollte, sondern als jemanden, der mit dem Anspruch auftrat, das Web überhaupt erst verfügbar zu machen - eben mit seinem Browser.
Andreessen und seine angeheuerten Mit-Programmierer hatten mit den philosophischen Ideen von Berners-Lee nicht sehr viel am Hut. Sie dachten von Beginn an in kommerziellen Kategorien. Bei der Entwicklung des Mosaic-Browsers erfanden die Programmierer nach ihrem Belieben neue Features, die sie in den Web-Browser implementierten, ohne dass diese Features standardisiert waren. Aber auch wenn Berners-Lee durch die Zeilen seines Buches deutlich durchscheinen lässt, wie wenig er von Andreessen hielt - durch den Mosaic-Browser kam die Lawine Web erst richtig ins Rollen. Das Mosaic-Projekt war dem ehrgeizigen Marc Andreessen jedoch alsbald zu klein geworden. Er wollte mehr, er wollte einen Browser, der die Welt erobert. Andreessen stieg schließlich aus dem Mosaic-Projekt aus und wurde Mitbegründer einer neuen Firma für Web-Software: Netscape. Wer heute den "guten" Netscape-Browser gegen den "bösen" Microsoft-Browser verteidigt, weiß also meistens gar nicht, dass Netscape in den Anfangszeiten genauso unverblümte Markteroberungs- und Monopolgelüste hatte wie Microsoft.
Das Konzept von Netscape ging zunächst auch voll auf. Eine völlig neue Zunft entstand: die Web-Designer. Träumend saßen sie in den Jahren 1995 und 1996 vor ihren ersten Web-Seiten, die dank Netscape bunte Hintergrund- und Schriftfarben, Hintergrundtapeten, Tabellenlayouts, mehrgeteilte Bildschirmfenster (Frames) und Multimedia-Plugins enthalten konnten. Zigtausende von Privatanwendern begannen, eigene Homepages zu erstellen (woran die damals erschienenen Versionen von SELFHTML möglicherweise nicht ganz unschuldig sind). Nach und nach drängten alle Firmen, Organisationen, Regierungen und Behörden mit eigenen Angeboten ins Web - weltweit. Die Wachstumsraten glichen einer Explosion. Es war aber auch die Stunde jener Marketing-Strategen, die am liebsten aus der ganzen Welt eine Plakatwand machen würden. Mit Feuereifer und Finanzen stürzten sie sich auf das neue, aufstrebende Medium, ohne den geringsten Schimmer einer Ahnung von dessen wahrem Wesen zu haben. Kein Wunder, dass viele Versuche, die Sahnetorte Web aufzurollen, kläglich scheiterten und schließlich wieder für Katerstimmung am Werbemarkt und an der Börse sorgten.
In den Jahren 1995 und 1996 erreichte der Netscape-Browser unter den Web-Benutzern zeitweise einen Marktanteil von 90%. Der Microsoft-Konzern schlief zunächst noch den Schlaf der Seligen und fraß sich an den Umsatzzahlen seiner Betriebssysteme MS DOS und MS Windows und der Textverarbeitung MS Word satt. Mitte der 90er Jahre, als der Online-Boom allmählich breitere Schichten der Bevölkerung der westlichen Länder erreichte, setzte man bei Microsoft zunächst auf einen eigenen, proprietären Online-Dienst namens MSN. Vom Internet und dem Web behauptete Bill Gates, das sei nichts für Microsoft. Als man jedoch sah, wie Netscape binnen weniger Monate die EDV-Landschaft veränderte, wie die Firma Netscape an der Börse einen bis dahin noch nie dagewesenen Traumstart hinlegte und die Implementierungen des Netscape-Browsers sich vermehrten wie ein Computer-Virus, da begann man plötzlich hastig zu reagieren. Mit einem gewaltigen Aufwand an Manpower wurde Versäumtes aufgeholt. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr erschienen die ersten vier Versionen des Internet Explorers, wobei Microsoft im Frühjahr 1997 mit der 4er-Version ein ähnlicher technologischer Durchbruch gelang wie Netscape mit den 1995 erschienenen Versionen 1.1 und 2.0 seines Browsers. Microsoft war alles andere als zimperlich, was den Kampf gegen Netscape betraf. So erklärte man den eigenen Browser einfach als Teil des Betriebssystems MS Windows und sorgte über diesen vorhandenen Vertriebskanal für die gewaltige Verbreitung des Internet Explorers. Nun ist dagegen eigentlich nichts einzuwenden, denn schließlich gehört Internet-Client-Software seit jeher zum Umfang von Betriebssystemen, gerade auch in der Unix-Welt. Die Absichten von Microsoft waren jedoch nur allzuleicht durchschaubar und sorgten in der Internet-Gemeinde für eine Welle des Hasses gegen den Konzern aus Redmond.
Der Browser-Krieg tobt bis heute - zumindest überall dort, wo diskutiert wird. Microsoft strebt heute im Browser-Markt eine ähnliche Machtstellung an wie im Bereich der Betriebssysteme, hat aber insbesondere mit dem Firefox eine ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. Doch es gibt auch gute Nachrichten: das Bewusstsein für die technischen Grundlagen des Web ist gewachsen, und die Ideen von Tim Berners-Lee werden mittlerweile durch ein vielköpfiges Konsortium vertreten: dem W3-Konsortium (W3C). Dieses Konsortium ist trotz der millionenfach verbreiteten Browser der mächtigste Faktor für die Weiterentwicklung des Web geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil es nicht gegen die Marktinteressen der Software-Firmen gerichtet ist, sondern seine Mitglieder zu großen Teilen aus eben jenen Software-Firmen rekrutiert.
Ende 1994 traf ein erstes Beratungs-Kommittee zusammen, um die Grundlagen für eine Institution zu schaffen, die sich um die technischen Grundlagen und Standards im Web kümmern sollte. Das CERN war mit dieser Aufgabe, die nicht seinem eigentlichen Beschäftigungsgegenstand entsprach, einfach überfordert.
Im Sommer 1995 traten namhafte Firmen dem W3-Konsortium bei. Gleichzeitig eröffnete die europäische Präsenz des Konsortiums ihre Pforten. Mitglieder des W3-Konsortiums sind Firmen oder Organisationen, keine Einzelpersonen. Sie unterschreiben einen 3-Jahres-Vertrag und zahlen Mitgliedsbeiträge, aus denen sich das Gremium finanziert. Als Gegenleistung erhalten sie Zugang zu nichtöffentlichen Informationen und können an der Entwicklung der vom W3C betreuten Standards wie HTML, CSS, XML usw. mitwirken.
Die Arbeit des W3-Konsortiums unterteilt sich in so genannte Aktivitäten (Activities). Es gibt mehrere Dutzend solcher Aktivitäten. So gibt es Aktivitäten für HTML, XML, CSS usw. Für jede der Aktivitäten gibt es Arbeitsgruppen (Working Groups) und Interessengruppen (Interest Groups). Während die Interessengruppen eher einflussnehmenden Charakter haben, befassen sich die Arbeitsgruppen mit der eigentlichen Ausarbeitung der Inhalte. Beide Gruppenarten setzen sich aus Mitgliedern des W3C zusammen. In den Arbeitsgruppen sitzen also auch viele Vertreter von Software-Herstellern. Das unabhängige Kern-Team des W3-Konsortiums überwacht die Aktivitäten.
Beim Entwickeln von Standards besteht die Ausarbeitung im Erstellen und Publizieren von technischer Referenz- Dokumentation zu dem betreffenden Standard.
Über die Einstiegsseite des W3-Konsortiums können Sie alle Aktivitäten der Organisation mitverfolgen. Mittlerweile gibt es auch ein Deutsches Büro des W3-Konsortiums, das in deutscher Sprache über die Arbeit des W3-Konsortiums berichtet. Für alle, die sich professionell mit Web-Design beschäftigen, sind regelmäßige Besuche auf den Web-Seiten des W3-Konsortiums mittlerweile Pflicht.
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